176 Das Oberlandesgericht Hamburg hat die Berufung des Hosting-Providers Uberspace gegen ein Urteil des Landgerichts Hamburg abgewiesen (Az. 5 U 54/23). Die Entscheidung ist ein schwerer Schlag für Uberspace und die Open-Source-Community, denn sie stellt klar, dass Hosting-Dienste für die Inhalte ihrer Kunden haften können – selbst wenn sie nur indirekt mit möglichen Urheberrechtsverletzungen in Verbindung stehen. Der Hintergrund: Youtube-dl und der Streit um „Rolling Cipher“ Im Zentrum des Falls steht die Software youtube-dl, ein Open-Source-Tool, das das Herunterladen von Videos und Audioinhalten von Plattformen wie YouTube ermöglicht. Die Musikindustrie, vertreten durch große Konzerne wie Sony, Warner und Universal, sieht darin eine Umgehung der sogenannten „Rolling Cipher“-Technologie, die YouTube einsetzt, um Downloads von geschützten Inhalten zu verhindern.Die Kläger argumentierten, dass Uberspace durch das Hosting der Website youtube-dl.org indirekt zur Umgehung technischer Schutzmaßnahmen beitrug. Die Betreiber der Plattform hätten sich dieser „wirksamen technischen Maßnahme“ bedient, um illegale Downloads zu verhindern, und youtube-dl ermögliche deren gezielte Umgehung. Urteil: Hosting-Dienste in der Haftung Das OLG Hamburg bestätigte das erstinstanzliche Urteil und sprach den Klägern einen Unterlassungsanspruch gemäß § 95a UrhG (Umgehung technischer Schutzmaßnahmen) zu. Die Richter stellten fest:Technische Schutzmaßnahmen: Die „Rolling Cipher“-Technologie auf YouTube sei eine wirksame Maßnahme, die die Nutzung geschützter Inhalte kontrolliere.Beihilfe durch Hosting: Obwohl Uberspace die Software selbst nicht hostete, sondern lediglich Speicherplatz für die verlinkte Website bereitstellte, wurde das Unternehmen als Gehilfe der Urheberrechtsverletzung eingestuft.Vorsatz nach Abmahnung: Spätestens nach einer Abmahnung hätte Uberspace handeln und den Zugang zur Website unterbinden müssen.Die Argumentation von Uberspace, dass es sich um eine neutrale Dienstleistung handele, wurde abgelehnt. Das Gericht entschied, dass der Hosting-Dienst nach Kenntnis von möglichen Rechtsverletzungen die Haftungsprivilegien nach dem Telemediengesetz (§ 10 TMG) verliert. Reaktionen: Kritik aus der Hosting- und Open-Source-Community Jonas Pasche, Geschäftsführer von Uberspace, äußerte sich enttäuscht über das Urteil. „Das Urteil bedeutet, dass Hosting-Provider ihre Kunden bei jedem Verdacht auf Rechtsverletzungen vorverurteilen müssen, um sich selbst zu schützen. Das ist eine gefährliche Entwicklung für die Freiheit des Internets,“ sagte Pasche.Die Open-Source-Community sieht das Urteil ebenfalls kritisch. GitHub, wo die Software youtube-dl weiterhin verfügbar ist, hatte nach juristischer Prüfung entschieden, dass die Software nicht gegen den Digital Millennium Copyright Act (DMCA) verstößt. Das aktuelle Urteil könnte jedoch den Druck auf Plattformen wie GitHub erhöhen. Analyse: Ein Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen Dieses Urteil könnte schwerwiegende Konsequenzen für Hosting-Anbieter und die Tech-Industrie in Deutschland haben:Haftung ohne direkte Beteiligung: Hosting-Dienste müssen sich künftig nicht nur mit der rechtlichen Zulässigkeit der Inhalte ihrer Kunden befassen, sondern auch mit deren potenzieller Nutzung durch Dritte.Abwägung zwischen Neutralität und Haftung: Das Urteil verschärft die Unsicherheit für Anbieter, die sich bislang auf Haftungsprivilegien verlassen konnten.Gefahr für Open-Source-Projekte: Entwickler könnten zögern, innovative Software anzubieten, wenn Hosting-Anbieter vorschnell Inhalte sperren oder entfernen. Was kommt als Nächstes? Uberspace hat angekündigt, mögliche weitere Schritte zu prüfen. Die Entscheidung, ob der Fall vor den Bundesgerichtshof gebracht wird, steht noch aus. Parallel dazu bleibt youtube-dl auf GitHub verfügbar, was die Debatte um globale Unterschiede im Urheberrecht erneut entfacht.Fazit:Das Urteil zeigt, wie stark der rechtliche Rahmen für Technologie und Urheberrecht in Deutschland unter dem Druck der Content-Industrie steht. Kritiker befürchten, dass der Schutz geistigen Eigentums immer stärker auf Kosten von Innovation und digitalen Freiheiten geht. Ob der Fall Uberspace ein Einzelfall bleibt oder ein Signal für eine härtere Gangart gegenüber Hosting-Anbietern ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. NachrichtenNetzpolitikUrteil Vorheriger Beitrag Elon Musk kritisiert deutsche Justiz: Zweiklassen-System oder selektive Meinungsfreiheit? Nächster Beitrag Dänemark im Ausnahmezustand: Mobilfunknetz-Ausfall legt Notrufe und Bahnverkehr lahm You may also like Baerbock-Beleidigung: Rentner zahlt 800 Euro Strafe – Prominente Abgeordnete und Anwälte testen... 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