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Gebrauchte Seagate-Festplatten statt Neuware: Was steckt dahinter und wie erkennen Sie das?

by dr
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Wer eine nagelneue Festplatte bestellt, erwartet logischerweise auch ein unbenutztes, frisches Medium zu erhalten. Doch aktuelle Fälle rund um Seagate-Server-Platten (hauptsächlich aus der Exos-Reihe, 12–18 TB) zeigen, dass Händler offenbar gebrauchte und bereits mehrere Jahre gelaufene Festplatten als Neuware verkaufen. Laut Meldungen von heise.de gibt es mittlerweile Dutzende Hinweise von Käufern, die auffällige Werte in den angeblich „jungfräulichen“ Platten finden: Tatsächlich weisen manche HDDs 15.000, 36.000 oder sogar über 50.000 Betriebsstunden auf.

In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick darauf, wie so etwas technisch möglich ist, warum es insbesondere Seagate-Exos-Modelle betrifft und was das für Käufer und Händler bedeutet. Darüber hinaus beleuchten wir, welche rechtlichen Ansprüche Kunden haben, wenn sich herausstellt, dass sie statt einer Neuware ein bereits gebrauchtes Laufwerk erhalten haben. Zudem gehen wir auf die Technik in einer Festplatte ein – nämlich ROM, Service Area und User Area – und wie es findigen Betrügern gelingt, SMART-Werte mithilfe spezieller Tools (z.B. PC-3000) zu manipulieren oder zurückzusetzen.

Hintergrund: Betrug mit angeblich neuen Seagate-Festplatten

Meldungen von Käufern

Nach Angaben von heise.de haben mittlerweile fast 50 Leser ähnliche Fälle gemeldet. Betroffen sind diverse Händler, darunter bekannte Namen wie Amazon, JB Computer, Mindfactory, Reichelt, Alternate und andere. Besonders auffällig: Vor allem Seagate Exos-Festplatten mit 16 TB, 12 TB, 14 TB oder 18 TB sollen mit manipulierter Betriebszeit als Neuware an den Endkunden gegangen sein. Manche Platten sind äußerlich neu, doch beim genaueren Auslesen erweist sich, dass sie bereits 3–4 Jahre ununterbrochen in Nutzung waren.

Warum Seagate-Exos?

Seagate Exos HDDs sind für den Server-Einsatz (Enterprise-Umfeld) konzipiert. In Rechenzentren oder größeren Storage-Clustern laufen solche Platten 24/7 unter hoher Last. Wenn Rechenzentren auf neue Generationen (z.B. 32-TB-Festplatten) upgraden, fallen tausende „alte“ 16-TB- oder 18-TB-Platten an. Die werden oft recycelt oder im Graumarkt verkauft.

Scheinbar finden Betrüger Wege, diese gebrauchten Datenträger so zu „polieren“, dass man sie als neu ausgibt – teils ohne Kratzer, teils mit zurückgesetzten SMART-Daten, wodurch man die Betriebsstunden vertuscht.

Technische Grundlagen: ROM, Service Area und User Area

Um zu verstehen, wie man den SMART-Count oder andere Indikatoren zurücksetzen kann, sollte man wissen, dass eine Festplatte vereinfacht gesagt drei Bereiche hat:

  1. ROM: Ein kleiner, auf dem PCB (Controllerboard) sitzender Speicher, in dem der „erste Teil“ der Firmware (Startcode) liegt.
  2. Service Area (SA): Ein spezieller Bereich auf den Plattern der HDD, der von normalen Benutzern nicht erreichbar ist. Dort sind zusätzliche Firmware-Module (z.B. Adaptdaten, Übersetzungstabellen) gespeichert, einschließlich gewisser SMART-Informationen.
  3. User Area: Der tatsächlich nutzbare Datenbereich, wo das Betriebssystem Dateien ablegt.

Normalerweise hat niemand Zugriff auf ROM oder Service Area, da diese Bereiche durch interne Kommandos geschützt sind. Jedoch kann spezielles Hersteller-Equipment oder Rettungslösungen wie PC-3000 (bekannt in der Datenrettungsbranche) diese Bereiche lesen und manipulieren. So lässt sich die Firmware anpassen, man kann SMART- oder Power-On-Hour-Werte teilweise zurücksetzen.

Tools wie PC-3000

PC-3000 ist ein Hardware-/Software-Paket für Datenrettungslabors. Damit kann man direkt auf HDD-Controller-Ebene agieren und Servicebereiche anpassen. Theoretisch lassen sich Betriebsstundenzähler reduzieren oder defekte Sektoren verschleiern. Betrüger können mithilfe dieser Tools:

  • Den S.M.A.R.T.-Zähler auf Null setzen.
  • Eventuelle Fehlereinträge löschen.
  • Die Seriennummer übernehmen oder anpassen (ggf. zusammen mit dem ROM).

Dadurch wird eine ältere, bereits beanspruchte Festplatte optisch und softwareseitig als „Neu“ getarnt.

Herleitung: Gebrauchte Platten aus Server-Farmen

Server-Farmen und Cloud-Anbieter migrieren zurzeit von ~16–18 TB HDDs auf brandneue 32 TB-Modelle. Die alten Datenträger wandern in den Gebrauchtmarkt. Dort kann es legitim sein, sie als Refurbished oder Recertified zu verkaufen – meist zu deutlich günstigerem Preis, eingeschränkter Hersteller-Garantie oder ohne jegliche offizielle Garantie (nur Gewährleistung des Händlers).

Leider scheint es, dass einige zwielichtige Händler (oder Zwischenhändler) den Weg gehen, die Festplatten als Original-Neuware zu deklarieren und zum Neupreis anzubieten, obwohl sie tatsächlich schon mehrere Jahre gelaufen sind. Häufig fällt es Nutzern erst auf, wenn man spezielle Tools (smartmontools, seatools oder eine FARM-Log-Abfrage) einsetzt.

Wie schlimm ist es, eine gebrauchte Platte zu bekommen?

Lebensdauer von HDDs

Festplatten im Enterprise-Umfeld (z.B. Seagate Exos) sind darauf ausgelegt, rund um die Uhr zu laufen. Man sagt, Festplatten fallen meist in zwei Phasen aus:

  1. Early Failure: In den ersten Stunden oder Tagen (sog. Infant Mortality).
  2. Später Verschleiß: Nach 5–7 Jahren ständiger Nutzung.

Wenn ein Laufwerk bereits 3–4 Jahre in einer Server-Farm gelaufen ist, hat es die „Early Failure“-Phase hinter sich. Die Chance ist hoch, dass sie noch weitere 3–5 Jahre solide halten könnte – Enterprise-Platten sind robust. Trotzdem kann es natürlich sein, dass sie kurz vor dem Ende ihres Lebenszyklus steht. Die verbleibende Restlebensdauer mag deutlich kürzer sein als bei einer fabrikneuen Platte.

Fazit: Technisch gesehen, könnte die gebrauchte HDD trotzdem noch mehrere Jahre problemlos arbeiten. Das Problem liegt primär darin, dass der Händler Neupreise verlangt und im Grunde betrügerisch agiert, wenn er sie als unbenutzt deklariert.

Recertified vs. Fakeneu

Recertified Platten (von Seagate generalüberholt) haben i.d.R. einen grünen Rand am Label, sind äußerlich als refurbished gekennzeichnet und haben ggf. reduzierte Garantie. Der Käufer weiß, was er kauft, und zahlt einen entsprechenden Preis. Fakeneu bedeutet hingegen, dass man voller Neupreis zahlt, ohne zu wissen, dass das Laufwerk bereits 30.000 Stunden auf dem Buckel hat – eindeutig unfair und betrugsrelevant.

Wie überprüft man selbst, ob die Platte wirklich neu ist?

  • SMART-Daten: Tools wie smartctl aus den smartmontools (ab Version 7.4) können über den Befehl smartctl -a /dev/sdx diverse Werte auslesen – darunter die Anzahl der gestarteten Spindelvorgänge, Power-On-Hours usw. Manchmal sind diese manipuliert, d.h. sie zeigen wenige Stunden, obwohl die Platte sehr alt ist.

  • FARM-Werte: Nach Angaben von heise.de haben Seagate-Platten eine sog. FARM-Log (Factory Additional Records Management?), das echte Laufzeiten enthält. Nur Smartmontools 7.4 oder Seatools (Seagates eigenes Diagnosetool) können diesen Bereich auslesen. Hier sieht man dann teils 15.000–50.000 Stunden, während der normale SMART-Power-On-Hours-Wert manipuliert wurde.

  • Garantiestatus: Seagate bietet eine Online-Garantieabfrage (Seriennummer). Ist die Platte angeblich neu, aber das Enddatum der Garantie liegt bald an, spricht das Bände. Eine Seagate Exos sollte normalerweise 5 Jahre Garantie haben. Wenn davon nur 1 Jahr übrig ist, kann die Platte ja nicht neu sein.

  • Äußerliche Spuren: Kratzer am Gehäuse, Schraubenspuren oder abgenutzte SATA-Stromkontakte. Kann ein Hinweis sein. Aber Betrüger polieren Platten oft sehr sorgfältig.

Rechtliche Aspekte: Sachmangel und Rücktrittsrechte

Aus unserer Sicht liegt ein Sachmangel (gem. § 434 BGB) vor, wenn man als Käufer eine neue Festplatte bestellt und stattdessen eine gebrauchte erhält. Faktisch wird man getäuscht, da die vereinbarte Beschaffenheit „neu“ nicht gegeben ist.

Käufer haben daher grundsätzlich folgende Rechte:

  1. Nacherfüllung: Man kann verlangen, dass der Händler eine tatsächlich neue Platte liefert.
  2. Rücktritt vom Kaufvertrag: Wenn Nacherfüllung scheitert oder unzumutbar ist, kann man vom Kauf zurücktreten und sein Geld zurückverlangen.
  3. Minderung: Theoretisch könnte man den Preis mindern, aber im Fall einer getarnten Gebrauchtware dürfte ein Rücktritt sinnvoller sein.
  4. Schadensersatz: Bei Betrug könnte man theoretisch weiteren Schadensersatz geltend machen, falls man z.B. Folgekosten hatte.

Achtung: Dies ist keine Rechtsberatung – nur eine allgemeine Einschätzung. Im Zweifel sollte man sich an Verbraucherzentralen oder Anwälte wenden.

Resümee: Der Händler kann nicht einfach behaupten, die Platte sei „neu“, obwohl sie 3 Jahre alt ist. Das ist ein klarer Sachmangel. Man hat das Recht, diese Ware zurückzugeben. Wer unsicher ist, sollte dringend Screenshots der SMART/FARM-Werte, die falschen Angaben etc. dokumentieren und Kontakt mit dem Händler aufnehmen.

Was tun, wenn man schon eine solche Platte gekauft hat?

  • Prüfen Sie die Platte: Mit smartctl -a oder seatools, idealerweise ab Version 7.4, die FARM-Log auslesen. Finden Sie Auffälligkeiten (Zahlreiche Betriebsstunden, Sektorenfehler)?
  • Garantie prüfen: Seagate-Website aufrufen, Seriennummer eingeben, Garantieenddatum checken.
  • Kontakt mit Händler: Mit Screenshots argumentieren, dass die Platte nicht neu sein kann. Verlangen Sie ggf. Umtausch oder Rückabwicklung.
  • Sicherung der Daten: Falls Sie die Platte schon im Gebrauch haben, speichern Sie wichtige Daten extern, bevor Sie sie zurücksenden.
  • Polizei oder Rechtliche Schritte: Bei klarer Täuschungsabsicht kann man Betrug vermuten. Vielleicht lohnt es, Anzeige zu erstatten oder den Vorfall zumindest an Verbraucherorganisationen zu melden.

Zukunftsperspektive: Vom Generationssprung auf 32-TB-Laufwerke und sein Einfluss auf den Gebrauchtmarkt

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir uns derzeit inmitten eines technologischen Sprungs bei Festplattenkapazitäten befinden: Während viele Rechenzentren bisher 16- oder 18-TB-Festplatten nutzten, sind inzwischen Modelle mit bis zu 32 TB auf dem Markt verfügbar. Das bedeutet, dass Rechenzentren, Hosting-Anbieter und Cloud-Services in großem Stil auf diese neuen, noch größeren Laufwerke umsteigen. Im Zuge dessen fallen große Mengen an „alten“ 16-TB- oder 18-TB-HDDs an, die aber alles andere als unbrauchbar sind.

In einer legitimen Welt würde man diese gut erhaltenen Datenträger als Refurbished oder Recertified verkaufen, typischerweise zu einem deutlich günstigeren Preis und mit klar gekennzeichneter Gebraucht- oder erneuerter Ware. Das ist gängige Praxis, wenn ein Rechenzentrum seine Bestände erneuert. Solche HDDs werden normalerweise korrekt gelabelt, teils mit einem veränderten Serienetikett oder einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung, um Käufern offenzulegen, dass sie eben keine fabrikneue Ware erhalten.

Das Problem: Aus diesen Mengen gebrauchter Exos- oder Enterprise-Platten schaffen es offenbar einige Datenträger in den Handel, ohne als gebraucht ausgewiesen zu sein. Stattdessen werden sie als brandneue Ware angepriesen und zum Neupreis veräußert. Damit lässt sich kurzzeitig ein erheblicher Gewinn erzielen – zum Nachteil der Kunden, die glauben, ein frisches Produkt mit voller Restlebensdauer und aktueller Werksgarantie zu bekommen.

Warum jetzt besonders viele Fälle?

  • Massive Upgrades in Rechenzentren: Wer früher 18-TB-Laufwerke nutzte, stößt an Platz- und Performance-Grenzen und ersetzt sie nun durch 32-TB-Generationen.
  • Erhebliche Bestandsmengen: Hunderte oder Tausende HDDs fallen zeitgleich ab. Das eröffnet Kriminellen Spielräume, diese hardwareseitig zu „tunen“, also die Firmware- und SMART-Daten zu manipulieren, und in den Endkundenmarkt einzuschleusen.
  • Mangels Kontrolle: Der Weg vom Großabnehmer zum Zwischenhändler ist teils wenig transparent. So tauchen in normalen Online-Shops plötzlich Restposten auf, die scheinbar neu sind.

Mit Blick auf dieses Phänomen sollte man als Verbraucher erhöhte Wachsamkeit an den Tag legen. Dass wir derzeit einen Generationswechsel in der Speichertechnologie erleben, wird auch künftig bedeuten, dass große Mengen an „alten“ (aber keinesfalls unbrauchbaren) Festplatten auf dem Markt landen werden. Solange Händler ehrlich sind und die HDDs als gebraucht oder refurbed deklarieren, ist das unproblematisch und kann für Schnäppchenjäger sogar attraktiv sein. Doch sobald ein Zwischenhändler betrügerisch handelt und die HDDs zum Neupreis als „fabrikneu“ weiterverkauft, entsteht ein eklatanter Schaden für alle Beteiligten.

Mit einer sorgfältigen Überprüfung (SMART/FARM-Log, S.M.A.R.T., Garantie-Check) kann jeder Käufer zumindest selbst feststellen, ob sein vermeintlich „nagelneues“ Laufwerk tatsächlich bereits tausende Stunden im Einsatz war.

Fazit: Seien Sie wachsam, prüfen Sie Ihre angeblich neuen Festplatten

Der Fall um angeblich neue Seagate-Exos-Festplatten, die in Wahrheit bereits tausende Betriebsstunden hinter sich haben, zeigt, wie wichtig es ist, Festplatten zu verifizieren, wenn man sie kauft. Ob man Tools wie smartctl oder seatools nutzt: Man sollte mindestens die Power-On-Hours checken. Sind sie manipuliert, kann der FARM-Log-Aufruf Abhilfe schaffen.

Technischer Hintergrund: Die Service Area und ROM werden mithilfe spezieller Hardware-Tools (z.B. PC-3000) bearbeitet, was den Betrügern ermöglicht, SMART-Werte zurückzusetzen und den Anschein eines Werkszustands zu erwecken.

Wer eine solche Platte erwischt, sollte:

  • Keine Daten ungesichert darauf lassen,
  • Umgehend den Händler kontaktieren,
  • Seine Rechte (Rücktritt) geltend machen, da ein Sachmangel vorliegt.

Auch wenn eine gebrauchte Server-Platte durchaus noch einige Jahre verlässlich laufen kann, ist es schlicht Betrug, dafür den Neupreis zu verlangen. Hätten die Händler sie als „recertified“ oder „gebraucht“ mit entsprechendem Rabatt angeboten, wäre das legitim. Doch den Kunden vorzugaukeln, das Produkt sei fabrikneu, ist inakzeptabel.

Rechtlich ist klar: Käufer können vom Kauf zurücktreten oder Nachlieferung eines tatsächlich neuen Geräts fordern. Ob man Schadenersatz geltend macht, hängt vom Einzelfall ab. Jedenfalls sollte man sich – wie erwähnt – rechtlich beraten lassen, wenn der Händler nicht kooperativ ist. Wir selbst können keine Rechtsberatung leisten, doch der Sachverhalt deutet stark darauf hin, dass ein Betrug bzw. eine Täuschung über die Beschaffenheit der Ware vorliegt.

Unser Tipp: Vertrauen Sie bei sensibler Hardware wie Festplatten immer auf seriöse Händler. Prüfen Sie Ihren Kauf sofort nach Erhalt. Lieber einmal mehr SMART-Daten checken, als hinterher mit einer bösen Überraschung dazustehen.

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