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Wenn du nicht Kunde bist, bist du das Produkt: Wie ein kostenloses VPN Zugang zu deinem Heimnetzwerk verkauft

by dr
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„Kostenlos“ ist verlockend – doch manchmal hat dieser Preis einen hohen Gegenwert. Genau das zeigt der aktuelle Fall eines kostenlosen VPN-Dienstes namens Big Mama VPN, der von einigen Gamer benutzt wird, um sich in einem Virtual-Reality-Spiel namens Gorilla Tag einen unfairen Vorteil zu verschaffen. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, dass sich „kostenlos“ in der Regel nicht auf die tatsächlichen Kosten bezieht, sondern auf den Preis, den wir als Nutzer anderswo zahlen. In diesem Artikel schauen wir uns an, was genau passiert ist, was ein VPN mit VR zu tun hat, warum Kinder und Jugendliche es für einen Vorteil im Spiel nutzen und wieso der Dienst Big Mama VPN am Ende unsere Heimnetzwerke als Ware anbietet. Vor allem aber beleuchten wir das Kernprinzip: Wenn du nicht der Kunde bist, bist du das Produkt.

Gorilla Tag: Wo VR-Primaten auf die Idee kommen zu cheaten

Gorilla Tag ist ein beliebtes Virtual-Reality-Spiel für die Meta Quest (ehemals Oculus Quest). Darin bewegen sich die Spieler als Affen durch eine virtuelle Umgebung, indem sie die Arme schwingen, klettern und rennen. Ziel ist es, sich gegenseitig zu fangen („taggen“). Was simpel klingt, macht ausgesprochen süchtig. Besonders Kinder und Jugendliche tummeln sich in Scharen in diesem Multiplayer-Erlebnis, um sich wild verfolgungsjagend auszutoben.

Doch bekanntlich gibt es in jedem Multiplayer-Game die Gruppe von Spieler, die sich unfaire Vorteile verschaffen möchte. Einige Teenager sind laut Berichten auf die Idee gekommen, ein VPN zu installieren und zu behaupten, dass die erhöhte Latenz („Lag“) ihnen erlaube, ihre Mitspieler leichter zu fangen. Sie schleichen sich somit scheinbar unbemerkt an. Diese Methode, VR-Headsets per VPN zu „verschleiern“, ist zwar technisch gesehen ein Trick, jedoch nicht gerade legal oder sportlich.

Kostenlose VPNs: Vermeintlich unschädlich, tatsächlich riskant

Dass sich gerade junge Menschen für kostenfreie VPNs entscheiden, liegt nahe. Wer will schon regelmäßig für einen VPN-Dienst zahlen, nur um in einem Spiel einen Vorteil zu erlangen? Kostenlose VPNs locken mit dem Versprechen unbegrenzter Daten, keiner Registrierung und null Gebühren. Das klingt perfekt für alle, die bloß einen Trick für ein paar Gaming-Abende brauchen.

Doch hier kommt das größte Problem: Ein VPN, das kein Geld kostet, muss sich auf andere Weise refinanzieren. Häufig geschieht das, indem sie Daten der Nutzer sammeln oder sogar die Internetverbindung für Dritte zur Verfügung stellen. Im vorliegenden Fall geschieht genau das: Big Mama VPN bietet nicht nur einen kostenlosen VPN-Zugang an, sondern verkauft die Heimnetzverbindung seiner Nutzer als „residential proxy“ weiter. Das bedeutet, dass Fremde deine IP-Adresse nutzen können, um im Internet zu surfen – und zwar so, als säßen sie direkt bei dir im Wohnzimmer.

Was ist Big Mama VPN und wie funktioniert dieser Betrug?

Big Mama VPN ist eine App, die es bei Google Play angeblich über eine Million Mal heruntergeladen wurde. Sie funktioniert wie ein typisches VPN: Du startest die App, verbindest dich mit einem Server, und von da an läuft dein Traffic über diesen Dienst. Im Fall von Gorilla Tag installieren manche Kids die App auf ihrer Meta Quest, entweder per „Sideloading“ (also außerhalb des offiziellen VR-Stores) oder irgendwie inoffiziell via Android. Das Ergebnis: Sie erleben scheinbar eine höhere Latenz oder „Lag“, was im VR-Spiel als unfairer Vorteil wahrgenommen wird.

Der Clou ist: Big Mama VPN ist so konzipiert, dass es den Datenverkehr anderer Kunden durch deinen Internetanschluss leitet. Als Gegenleistung für den „kostenlosen“ VPN-Zugang stimmst du laut den Nutzungsbedingungen zu, dass dein Gerät als Knoten im sogenannten „Residential Proxy Network“ fungiert. Die IP-Adresse deines Heimnetzes (oder deines Mobilnetzwerks) wird an Dritte vermietet. Dadurch können Kriminelle oder zumindest Unbekannte deinen Anschluss nutzen, um ihre Spuren zu verschleiern. Offenbar wurde dieser Dienst in verschiedenen Cybercrime-Foren beworben und ist als günstige Methode bekannt, um Angriffe oder illegale Botnet-Aktivitäten zu verschleiern.

„If you’re not paying for the product, you are the product“

Das Prinzip hinter diesem Geschäftsmodell ist kein Geheimnis: VPN-Anbieter müssen Server, Bandbreite und Personal bezahlen. Ohne kostenpflichtige Abonnements bleibt nur eine Finanzierung über Werbung oder eben den Verkauf der Nutzerdaten und Verbindungen. Big Mama VPN demonstriert eindrücklich, wie gefährlich dieses Tauschgeschäft werden kann. Denn in dem Moment, in dem dein Internetanschluss für Fremde geöffnet wird, hast du einen Kontrollverlust über das, was über deine IP-Adresse passiert.

Gerade in Zeiten, in denen Strafverfolgungsbehörden oft nur die IP-Adresse als ersten Anhaltspunkt bei Cyberattacken haben, kann es fatale Folgen haben, wenn deine IP in kriminellen Aktivitäten auftaucht. Verstößt jemand mithilfe deines Anschlusses gegen das Gesetz, stehst du im schlimmsten Fall selbst im Visier. Und alles nur, weil du dachtest, du bekämst einen kostenlosen VPN.

Residential Proxy: Die dunkle Seite des „Netzwerks“

Um den Kunden hinter Big Mama VPN besser zu verstehen, muss man wissen, was ein Residential Proxy ist. Im Gegensatz zu herkömmlichen Proxy-Servern, die oft im Rechenzentrum stehen, stammt ein Residential Proxy aus dem Heimnetz eines Endverbrauchers. Das hat Vorteile für die Nutzer dieses Proxys: Sie erscheinen wie eine „normale“ Privatperson im Internet und nicht wie eine Maschine in einem großen Datencenter. Webseiten oder Sicherheitsmechanismen sind schneller bereit, solchen Verbindungen zu vertrauen. Dadurch lassen sich Scraping, Bot-Angriffe oder sonstige Aktivitäten effizienter tarnen.

Aus diesem Grund sind Residential Proxy-Netzwerke längst kein Geheimtipp mehr unter Cyberkriminellen. Wenn dein Internetanschluss unbemerkt Teil so eines Netzwerks wird, agieren diese Kriminellen im Schutze deiner IP-Adresse, was es für Ermittler erschwert, die wahren Täter zu finden. Und das Beste für die Kriminellen: Du hast ihnen buchstäblich die Tür geöffnet – freiwillig, weil du einen „kostenlosen“ VPN wolltest.

Warum speziell VR-Headsets betroffen sind

Die Analysefirma Trend Micro bemerkte irgendwann, dass in ihrem „Threat Intelligence“-System vermehrt VR-Headsets von Meta (Oculus) auftauchten. Es stellte sich heraus, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Headsets (die Rede ist von den drittbeliebtesten Geräten nach Samsung und Xiaomi) den Big Mama VPN nutzten. Möglicherweise hat sich das entsprechende Tutorial zur Nutzung bei Gorilla Tag rasend schnell in Jugendforen oder YouTube herumgesprochen: „Sideloadet diese App, verschafft euch einen Lag-Vorteil, schon habt ihr einen Cheat.“

Dabei ist das Ganze nicht nur moralisch fragwürdig (Cheaten in Multiplayer-Games – wirklich?), sondern auch sicherheitstechnisch gefährlich. Die jungen Nutzer, die Big Mama VPN installieren, sind sich oft gar nicht bewusst, welche Hintertür sie öffnen und welches Risiko für ihr gesamtes Heimnetz entsteht.

Wie Kriminelle profitieren – und du den Schaden hast

1. Identitätsmaskierung für Angriffe
Kriminelle können mithilfe deines Internetanschlusses Angriffe auf Unternehmen oder sogar Regierungen durchführen. Wenn Behörden die IP-Adresse zurückverfolgen, landen sie erst einmal bei dir. Zwar könnte man argumentieren, dass eine genauere forensische Untersuchung vielleicht zeigt, dass du unschuldig bist, doch der Ärger ist vorprogrammiert.

2. Botnet-Teilnahme
Wenn dein Gerät unbemerkt in einem Botnet mitschwimmt, besteht die Gefahr, dass Schadsoftware installiert wird, weitere Hintertüren geöffnet werden und dein gesamtes Heimnetz kompromittiert wird. DDoS-Attacken oder Spam-Kampagnen können so über deinen Anschluss laufen.

3. Rechtliche Probleme
Falls jemand via Big Mama VPN über deine IP-Adresse illegale Inhalte herunterlädt oder sich in irgendeiner Form strafbar macht, könnte das, zumindest kurzfristig, bei dir anklopfen. „Schuld“ bist zwar nicht du, aber probiere das mal zu beweisen, wenn du nicht einmal wusstest, dass dein Netz missbraucht wird.

4. Datenschutz-Desaster
Gerade Familien mit Kindern könnten sensibel auf das Thema reagieren. Während man anfangs nur eine harmlose VR-App herunterladen wollte, sind plötzlich private Daten – einschließlich Hausadresse, IP-Informationen und Nutzungsgewohnheiten – irgendwo in der Welt verfügbar.

Big Mama VPN verteidigt sich – mit fragwürdigen Argumenten

In einer Stellungnahme gab eine Person namens „Alex A“ an, dass alles in den AGBs stehe und man eben zustimmen müsse, wenn man Big Mama VPN nutzt. Genauso verwies man darauf, dass es keinerlei Werbeanzeigen in Kriminellen-Foren gebe und man nicht wisse, wer die Dienstleistung dort anpreist. Fakt bleibt aber: Big Mama VPN ist in großen Cybercrime-Foren erwähnt worden und laut Experten wird die Residential-Proxy-Funktion aktiv für dubiose Aktivitäten genutzt. Das spricht Bände über die Glaubwürdigkeit des Anbieters.

Zudem behauptet Big Mama, man blockiere Spam, DDoS, SSH und Ähnliches. Offenbar waren dennoch Lücken vorhanden, wie etwa eine Sicherheitslücke im VPN, über die Angreifer Zugriff auf ein lokales Netzwerk erlangen konnten, ehe sie gefixt wurde. All das lässt Zweifel daran aufkommen, ob Big Mama tatsächlich im Sinne ihrer Nutzer handelt – oder schlicht die Profitmaximierung im Visier hat.

Der Grundsatz: Wenn es nichts kostet, zahlst du anders

Aus all dem kristallisiert sich die uralte Weisheit: „If you’re not paying for the product, you are the product.“ Das bedeutet, dass sich für Unternehmen immer ein Weg findet, Geld zu verdienen – wenn es nicht direkt über Gebühren oder Abos geschieht, dann eben über Datenverkauf, Werbung, Tracking oder, wie hier, Verkauf deiner Internetverbindung. Diese Mechanismen sind in vielen Bereichen des Internets zu beobachten, aber im Fall eines VPNs oder eines Residential Proxy ist der Schaden potenziell gravierender.

Viele VPN-Anbieter überfluten dich mit Werbung, sammeln Nutzungsdaten oder injizieren Tracking-Codes in deinen Datenverkehr. Big Mama VPN setzt noch einen drauf, indem es dein Heimnetz für andere Leute freigibt. Ob das legal ist, mag eine Grauzone sein – moralisch problematisch ist es allemal. Selbst wer penibel die AGBs liest, dürfte den vollen Umfang nicht realisieren. Vor allem Kinder und Jugendliche, die bloß ein VR-Spiel cheaten möchten, haben keine Vorstellung davon, was ein „Residential Proxy“ bedeutet.

Was kannst du tun?

1. Bezahle für VPN
Ja, es klingt wie eine Binsenweisheit, aber die sicherste Variante ist, einen vertrauenswürdigen, transparenten VPN-Dienst zu wählen, bei dem du monatlich einen Betrag zahlst. So ist klar, wie sich das Unternehmen finanziert, und du musst nicht befürchten, dass deine Verbindung in irgendwelchen Proxy-Datenbanken landet.

2. Lies (zumindest grob) die AGBs
Es ist mühsam, aber nimm dir ein paar Minuten Zeit, die wichtigsten Passagen zu lesen. Wenn irgendwo ein Passus steht, wonach der Dienst „Verkehr weiterleitet“ oder „Drittparteien Zugriff gibt“, solltest du die Finger davon lassen.

3. Sprich mit Kindern und Jugendlichen
Gerade in VR-Communities und bei jüngeren Spieler ist die Verlockung groß, schnelle Cheats auszuprobieren. Eine kurze Aufklärung über die Risiken kann viel bewirken. Man muss verstehen, dass solche Tricks nicht harmlos sind.

4. Überwache dein Netzwerk
Wer ernsthaft fürchten muss, Teil eines Botnets oder einer Proxyfarm zu sein, kann Router-Logs prüfen oder Netzwerkanalysen durchführen (z. B. über Firewalls). Tauchen ungewöhnliche IPs oder Traffic-Spitzen auf, könnte das ein Hinweis sein, dass der Datenverkehr „fremdbestimmt“ wird.

5. Sideloading nur in Maßen
Auf VR-Headsets, Smartphones oder anderen Geräten sollten Apps im Idealfall aus dem offiziellen Store stammen. Jede Installation von Fremdquellen erhöht das Risiko, Schadsoftware oder Schummel-Apps mit Hintertüren zu bekommen.

Fazit: Keine Gratis-Lektion

Der Fall Big Mama VPN ist ein eindrückliches Beispiel, wie fragil die Privatsphäre und Sicherheit in unserem zunehmend vernetzten Alltag ist. Was als harmloser Cheat in einem VR-Spiel begann, offenbart ein tieferes Problem: Kostenlose VPN-Dienste sind selten ein Geschenk des Himmels. Eher sind sie eine perfide Methode, Nutzer zur Ware zu machen. In einer Welt, in der wir ständig nach kostenlosen Angeboten suchen, sollten wir bedenken: Jede Dienstleistung ohne Preisschild hat irgendwo eine versteckte Rechnung. Und oft bezahlen wir, ohne es zu merken, mit unseren Daten, unserer Privatsphäre – oder mit unserem Heimnetz als kriminelles Sprungbrett.

Letztlich müssen wir mehr Bewusstsein dafür schaffen, was der Slogan „If you’re not paying for the product, you are the product“ in der Praxis bedeutet. Wer wirklich ein VPN braucht, sollte sich zumindest die Mühe machen, einen seriösen Anbieter auszuwählen und dafür einen fairen Preis zu zahlen. Ansonsten läuft man Gefahr, auf diese Weise einen vermeintlich „kostenlosen“ Dienst zu nutzen – nur um am Ende weitaus teuer dafür zu zahlen.

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